6. Der Moment der Öffnung – Die ersten Tränen nach Jahren
- Andy

- 21. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Seit meiner Ankunft am 25.07.2024 hatte sich vieles in mir aufgestaut. Die ersten Tage waren geprägt von Unsicherheit, dem Versuch, mich an die Struktur der Klinik zu gewöhnen, und dem inneren Kampf, mich nicht von meiner Angst überwältigen zu lassen.
Am 06.08., also knapp zwei Wochen nach meiner Ankunft, geschah etwas, das ich lange nicht mehr zugelassen hatte. Nach einem Gespräch mit meiner Oberärztin in ihrem Büro spürte ich, wie sich etwas in mir regte. Mehrmals während des Gesprächs musste ich meine Gefühle zurückhalten, sie hinunterschlucken – ein Reflex, den ich mir über die Jahre antrainiert hatte. Nicht schwach wirken, nicht die Kontrolle verlieren.
Doch als ich wieder allein in meinem Zimmer war, brach etwas in mir auf. Es war kein leises, sanftes Gefühl, sondern eine Welle, die mich mit voller Kraft traf.
Zum ersten Mal seit Jahren konnte ich zulassen zu weinen. Das war auch der Moment, in dem ich, nach etwa einem dreiviertel Jahr, Musik wieder bewusst anhören konnte.
Es fühlte sich an, als würde eine unsichtbare Mauer in mir zerbröckeln – Stein für Stein, langsam, aber unaufhaltsam. Der Schmerz, den ich so lange verdrängt hatte, drängte nun mit aller Macht nach oben. Es war, als würde mein Körper endlich kapitulieren, nach Jahren des Festhaltens, des inneren Kampfes, des Verdrängens.
Ich spürte, wie sich all die aufgestauten Emotionen ihren Weg bahnten – Angst, Enttäuschung, Trauer. Jede Träne war ein stummer Schrei nach Erleichterung, eine stille Bitte, endlich loslassen zu dürfen. Ich ließ es geschehen, ließ es fließen, ohne es zu stoppen.
Es fühlte sich an wie eine erste Ahnung von Befreiung.
Es war noch roh, noch neu, noch fremd. Aber inmitten der tiefen Erschöpfung spürte ich zum ersten Mal seit langer Zeit, dass mein Körper mir eine Chance gab. Eine Chance, nicht länger alles in mir einzusperren. Eine Chance, nicht länger gegen mich selbst anzukämpfen.




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